Biographisches

Kunst

Immer wenn ich Kunstausstellungen besuche, schaue ich mir neben den Exponaten auch die Herkunftsbeschreibungen und die biographischen Daten der jeweiligen Künstler an.

Egal wie die Qualität der Arbeiten zu erleben ist - vor allem wird betont, an welcher Hochschule man studiert hat, mit dem oder dem Professor, welche Mitgliedschaft in welchem Künstlerbund man besitzt und natürlich fehlen auch nicht entsprechende Angaben zu Ausstellungsteilnahmen.

Nach einem eingehenden Rundgang muss ich häufig feststellen, dass nur Künstler mit einem so beschriebenen Hintergrund ausgestellt werden. Wo sind die Menschen bzw. Kunstschaffenden, die außerhalb des akademischen Lehrbetriebes schaffen und genau wie die oben Beschriebenen ihren Werken Raum und Auseinandersetzung verschaffen wollen? Sind es einfach nur die kleinen, manchmal feinen Galerien, die den Freischaffenden das Podium bieten ihre Arbeiten zu zeigen? Ich möchte in diese Auseinandersetzung auf keinen Fall substanziell einsteigen und eine Aussageposition einnehmen, die mehr ausdrückt oder Elemente mit einbezieht, die über meinen eigenen Werdegang oder mein künstlerisches Tun herausragt.

Prozess

Und da bin ich schon mitten drin in meinen eigenen Gedanken und Entscheidungen. Ich habe überhaupt keine Scheu meine Arbeiten als reine Kunst zu erleben und diese, so ich sie selber als einen Prozess der Hingabe und einer handwerklich anschauenden, konsequenten Arbeit zurückerinnere, in berührter, entdeckerischer Freude zu genießen. Das mag etwas vermessen klingen, aber es drückt ja nur aus, wie ich selber zu meinen Bildern stehe. Ich glaube, dass eine persönliche Biographiebetonung bei einem Künstler nur dann einen Sinn macht, wenn sie die Werke an sich nicht zu erklären, aufzuwerten oder eben diese in eine reine Aussage zu wandeln sucht. So werde ich auch nicht die Umstände meiner Biographie in eine Betonung setzen wollen, die das bisher Entstandene und vor allem die Arbeit, die noch vor mir liegt, in ein vorhersehbares Verhältnis zu setzen sucht.

Meine Erinnerungen gehen bis in das zweite Lebensjahr zurück. Bedingt durch einen damaligen Krankenhausaufenthalt kann ich Situationen, Stimmungen und meine Empfindungen zu diesem erinnern und erfühlen. Erinnerlich, unter anderem, sind mir große orangene Holzbausteine mit denen ich auf eine Art Tablett spielen durfte, meine Angst, als ich des nachts den Mond durch graue Vorhänge scheinen sah und so vieles mehr…So ist mir früh eine Empfindung einer eigenen Zerbrechlichkeit, aber eben auch die Unbestrittenheit der eigenen Existenz bewusst geworden. So mag eine sehr frühe Frage nach einer ganzheitlichen Sinnhaftigkeit durch diese Erinnerungen ihren Anfang gefunden haben.

Existentielles Ungemach oder Angst, dies sei klar gesagt, ist nicht der Motor für Seinsfragen bzw. das komplexe Bemühen aller Erscheinungen, eine möglichst weitgehende Daseinsantwort zu finden. Zurück zu den Erinnerungen: das frühkindliche Erinnern spielt mir nicht unbedingt längere zusammenhängende Zeitabläufe ein. Wenn ja, finde ich diese nicht so nennenswert, sondern eher zeitunabhängige Wahrnehmungen von Gerüchen, Farben und sehr wichtig von Proportionen. Ich als kleiner Mensch (Kind) war sozusagen ein Entdecker des unmittelbar Sinnlichen, fehlte mir doch bedingt durch meinen Kleinkindstatus fast jegliches Eingebundensein in soziale Formationen oder Vorstellungshülsen.

Ich war einfach Kind, wenn auch meine Erziehung und das unbedingte Einfordern von Gehorsam und Riten ein damalig sehr bestimmendes Gewicht hatte. Die Spielzeit, das bewusste Erleben von Eindrücken, das Einarbeiten dieser in eine ebenso noch unbekannte Innenwelt, an dieses kann ich mich sehr früh und genau erinnern. Die Nächte für mich als Kind waren lang, die Scheinwerfer von Autos warfen manchmal spannende, sich bewegende Lichtstreifen an meine Zimmerwände, betrunkene Männer sangen irgendwelche Melodien und mengten dazwischen irgendwelche Wortfetzen.

Es gab die Welt der großen Menschen zum Beispiel unbemerkt zu entdecken, zum Beispiel im Finden von Gegenständen vergangener Zeiten, die von etwas kündeten, was außerhalb meines Kinderraumes stattfand oder stattgefunden hatte. Dies kann ich als Beginn meiner Suche ausmachen, das Aneignen von eben diesen unzusammenhängenden Zeugnissen gewesener Vorgänge. Ich war keine 6 Jahre alt und fing an zu sammeln, versuchte einzudringen in die Botschaft von Fundstücken, suchte nach einer mir gar nicht formulierbaren Idee, die hinter diesen Fundsachen stehen könnte. Die Zahlen und Buchstaben hatten alle ihre Farben, Autos hatten eine so komplexe Mixtur aus verschiedenen Materialien und Gerüchen, diese aufzunehmen war äußerst spannend und Gegenstand vieler Empfindungen und Vermutungen.

Menschen waren durch ihre Kleidung leichter im Status oder Beruf zu erkennen als es heute der Fall ist. Ich dachte damals, dass doch der Ärmste von ihnen mehr hat als ich, Selbstbestimmung und Herr der eigenen Welten zu sein, ohne die reglementierenden Einschränkungen von außen. Und damit entstand früh der Drang - außer wenn ich ungestört im eigenen pulsierendem Leben meiner Innenwelt stand - in der Außenwelt schnell zu wachsen, lästige und auch wenig erfreuliche Stationen wie Kindergarten oder Schule in geschickt abgezählten Schritten zu durchlaufen, um endlich scheinbar in vermeindlicher Freiheit anzukommen.

Der Anfang

Ich fing mit 7 Jahren an, im Garten meiner Eltern zu graben, einfach um etwas zu finden. Geschirrteile, ein Parteiabzeichen aus der Nazizeit waren meine Beute und somit beredte Zeugnisse einer Zeit, die in sehr versteckter aber durch viele Einzelsegmente und Begebenheiten ihre wenig verständliche aber ungeheuer energiegeladene Sprache kundtat. Es fielen noch häufiger Worte von:  Menschen vergasen, abholen, Bombennächte; das Rote Kreuz hatte im Radio lange Sendezeiten mit Durchgaben der Suchmeldungen.

Launiger waren da ältere Herrschaften, die, wenn verärgert, durchaus ernsthaft ausriefen, dass man so etwas wie mich oder wenn wir eben mehr waren - uns -, früher an die Wand gestellt hätte. Auch was damit gemeint war galt es herauszufinden. Tante Grete, unsere Nachbarin, erzählte von langen Bombennächten in Berlin, von Phosphorbränden und Kellern voller Menschen. Überall ließen sich damals noch Zeugnisse dieser Zeit finden, Gasmasken, Bajonettes, bei einem entfernteren Nachbarn hing sogar noch der verrostete Karabiner eines zu Tode gekommenen Soldaten an der Schuppenwand. Ich spürte damals sehr deutlich, ohne es natürlich zu verstehen, dass die gewesene Zeit noch stark - wenn auch merkwürdig verborgen - in den Köpfen oder den Herzen der Menschen war.

Nach außen ging es munter voran; Ehrhardt als Minister, später Kanzler. Es waren die besseren Zeiten, verdientes Geld wurde dafür verwandt, sich vom äußeren Status her „nach oben hin“ zu orientieren. Was für ein unglaublicher Umbruch, ich kann mich an Sperrgutabfuhren erinnern, wo ganze Straßenzüge scheinbar ihren halben Hausstand auf einmal zu wechseln suchten. Nur die Ärmsten suchten damals in diesen Hinterlassenschaften; es galt als schimpflich und kaum erlaubt, da etwas mitzunehmen.

Ein Teil unserer Lehrer hatten Kriegsverletzungen, das Klopfen mit einer Handprothese auf den Kopf oder die etwas umständliche, aber keineswegs langsame Fortbewegung mit Holzbein - auch eine kleine Erinnerung wert. Zigeuner machten manchmal noch ihre Zeichen an die Pfosten der Gartentüren, später erst erfuhr ich den tieferen Sinn dieser geheimnisvollen Symbole. Menschen mit Krämerbauchladen, Leierkastenspieler, Scherenschleifer, Alteisen- und Lumpensammler. Es waren nur noch wenige, aber den letzten Zipfel dieser Seiten durfte ich noch erleben.

Die 60/70er

Unruhen in Prag, das Attentat auf J. F. Kennedy. Die Mondlandung nun ausgestrahlt in Farbe. Die Musik änderte sich nun merklich in meiner Umgebung und auch das Aussehen der Menschen. Dieses waren wieder Impulse einer Form von Selbstbestimmung und dazu noch eine Möglichkeit, der Biederkeit dieser Zeiten den Rücken zu kehren. Ich war nun 14 Jahre alt und fing an meine Innenwelt zu verlassen und mich eben ganz außen zu orientieren und alles das recht unreflektiert entgegenzunehmen, was dazu dienen konnte, meinen Drang nach Freiheit zu ermöglichen. Das Sammeln, das Betreten der Innenwelt um ihrer selbst willen wurde seltener. Der Hunger nach Erfahrung nahm auch gefährliche Züge an, Drogen und psychodelische Substanzen wie LSD oder Meskalin bescherten mir kurz aber heftig einen mir sehr zweifelhaften Ausstieg. Wegweisender war da doch die halbjährige Reise nach Israel.

Das spätere Leben in Landkommunen, die spirituelle Begegnung mit Bhagwan, die Aufnahme eines Studiums an der Schule für eurythmische Kunst in Hannover und das künstlerische Arbeiten, welches seit dem 19. Lebensjahr ein ganz selbstständiger Teil war. Sicher war das Tanzen, die Eurythmie an sich erfüllend und antwortgebend an sich, aber mich zog es einfach nach viereinhalb Jahren weiter - und so war ich dann für 12 Jahre in München. Die ersten Jahre waren sehr schwierig und ich hatte in manchen Zeiten nicht ‘mal ein richtiges Dach über dem Kopf. Als selbstständiger Handwerker, Kunstschaffender war nicht immer leicht Geld zu verdienen. Ich beschäftigte mich dann sehr intensiv mit der Photographie, hatte einige Ausstellungen mit meinen damaligen Bildern und Materialarbeiten ausgerichtet. Eine schöne Zeit war die Zusammenarbeit mit einem Metallbauer,  um Designmöbel zu entwerfen und zu realisieren.

1996 ging ich dann in den hohen Norden, Fleckeby, Ostseeküste bei Kiel. Hier hatte ich fünf sehr intensive Jahre mit einem Maler und langjährigen Freund, aus sehr vielen Gesprächen und Auseinandersetzungen konnte ich sehr intensiv an meinen eigenen Arbeiten wesentliche Erfahrungen machen. Auch wurde immer deutlicher der nötige Ausstieg aus unbewussten Vorstellungsschablonen. Wir hatten jeder unser eigenes Atelier, richteten auch zusammen Ausstellungen aus.

Materialfindung

Ich fing jetzt an, mit alten farbigen Hölzer zu arbeiten. Auf einmal ergab sich für  mich eine Möglichkeit, meine Innenwelt - mit den vielfältigen Farb- und Sinneseindrücken dieser Fundmaterialien - in meine Arbeit einfließen zu lassen. Ich weiß heute, dass sich da der Grundstein für mein jetziges Tun herausgelöst hat. Die Arbeit mit den Fundhölzern währt nun seit über 14 Jahren, je länger ich damit arbeite und mich mit leeren Händen darauf einlasse entsprechende Materialien zu finden, umso inniger verbinde ich mich mit dieser Art des bildnerischen Schaffens. Diese Fundhölzer haben erst einmal eine Grundsprache, oft finde ich exakt zusammenhängende Holzstücke, die in der Summe eine Komposition möglich machen.

Dieser Findungs- und Erkennungsprozess ist genau wie ich es als Kind erlebt habe - mir eine Welt innen zusammenzusetzen. Wie genau ich die Farben und Zusammenklänge erinnern kann. So entsteht eine wirklich tragfähige Bildsprache, ich muss nur vertrauen und die Bilder meiner Vorstellungen nicht in den Vordergrund spielen. Natürlich entstehen so Landschaften. Klar, Perspektive und Proportion sind nicht nur eine Sprache der inneren Führung, da beginnt die immer wieder aktualisierende  Frage der handwerklichen Übung. Bildentwickelung stellt sich so auf zwei grundlegende Annahmen. Die immer reiner werdende Wiedergabe von Idee und Inspiration und das handwerkliche, tatsächliche Üben, mit den Materialien so umzugehen, dass die Arbeit ungestört ihren Weg in die Augen des Betrachters findet.

Fragen stelle ich sicher immer noch aktuell, unterteile aber diese Fragen in so viele Nischen und Zwischenetagen, dass nicht immer von einem leicht zu durchschauenden Fragekomplex gesprochen werden kann. Farben und das Arbeiten mit den Fundmaterialien bedienen diesen meinen Fragekomplex nur in so weit, dass ein sehr geordneter Frage-Antwort-Weg entsteht. Die Ordnung eines Bildes ist in meinem Schaffen ein stetig ansteigender Prozess - die Sensibilität, der Drang da ganz auf den Punkt zu kommen wächst mit jeder Arbeit. Ich erlebe aber in meiner Arbeit keine abstrakten Antworten, sondern diese erlauben mir meine kleinen Wahrnehmungen aus eben diesen komplexen Lebensgebäuden heraus zu extrahieren und sie der großen, manchmal allzu ultimativen Lebens-Daseinsfrage, ohne Ängste hinzuzuordnen.

Wenn ich ein Bild als abgeschlossen erlebe, höre ich oft einen Ton wie ein Schlag auf eine sauber tönende Schale oder ähnliches. Das Finden von farbigen Hölzern und das Freilegen eines Materials erlebe ich wie die Gunst eines Schülers, der einem Meister eine Frage stellen darf. Die Arbeit an einem Bild ist wie der Vorgang, die Antwort geduldig und würdigend entgegenzunehmen. Das Bild aus dem Prozess zu nehmen und im richtigen Moment zu beenden, heißt die Antwort verstanden zu haben, ohne eine intellektuelle oder vorstellungshafte Hinzufügung. Deshalb die Freude an abgeschlossenen Bildern.

Natürlich erlebe ich diesen Prozess als keinen gemeisterten oder irgendwie als abgeschlossen, er ist kulminierend und manch frühere Arbeit erlegt mir dann die Frage auf, ob nicht dieses oder jenes hätte genauer gearbeitet werden können. Das charakterisiert aber nur mein Eingeständnis weiter lernen und entwickeln zu wollen. Kleine Randbemerkung: ich erkläre und vergleiche diesen Weg nicht mit einer akademisch zeitgenössischen erfolgreichen Laufbahn. Ich möchte einfach nur betonen, dass ich doch einige Freischaffende kenne, die sich konsequent durch die Arbeit am Werk selber schulen und sich entsprechend weiter ausbilden.

Fazit

Ich bin sehr dankbar jetzt genau hier angekommen zu sein. Mein Atelier ist eine wunderbare Herausforderung und ich möchte allen Freunden und Kritikern danken, die mich begleitet haben und ermutigt, ein bisschen verrückt zu bleiben. Ich verspreche, es geht weiter!